„Dät wuss du nich wääten“

Konzert und Lesung am 27. Oktober in Meppen

(mk) Dr. Hermann Krüssel wurde 1960 in Klein Fullen geboren. Der Liebe wegen zog es ihn nach Aachen, wo er am Pius-Gymnasium Latein und Kath. Religionslehre unterrichtete. Wir besuchten ihn mit vollem Bus bereits 2x in Aachen, wo er uns seine Stadt „up platt“ vorstellte. Der vielfache Autor zeigt seine Heimatverbundenheit nicht nur in der plattdeutschen Sprache, die er pflegt, er hat sich auch einem dunklen Kapitel seines Geburtsortes gewidmet und das mit großer Akribie und Leidenschaft. Herausgekommen ist dabei ein Buch über die Emsland-Lager in Fullen und Versen, das in seiner Eindringlichkeit wachrüttelt und mahnt. „Dat wuss du nich wääten“ lautet der Titel; das sagte auch einst der Vater dem Kind Hermann, wenn dieser Fragen stellte. Er hätte auch sagen können: „Frag lieber nicht, die Geschehnisse sind zu grausam“. Vielleicht waren einigen Bewohnern da auch schon die beiden Erschießungs-Anlagen bekannt. Und auch, dass ein 15jähriger die Leichen wegschaffen musste. Hermann Krüssel hat Fragen gestellt, reiste bis nach Italien, forschte in italienischen, niederländischen, russischen und dänischen Quellen. Zur Seite stand ihm Günter Kathmann aus Versen mit persönlichen Erfahrungen, auch von Mutter, Vater und Onkel. Gut vernetzt vermittelte er Hermann Krüssel wertvolle Kontakte im Emsland. Als sich ergänzendes Team widmeten sie sich der hier fehlenden emsländischen Erinnerungskultur. So lüftet sich der Schleier des (Ver-) Schweigens nach rund 80 Jahren, beim Autor ausgelöst durch die Gedenkplatte eines italienischen Gefangenen in lateinischer Sprache auf dem Friedhof Versen.

Friedhof? So wirklich erinnert nichts an die zahlreichen Schicksale, so wie das des Italieners Leonardo Lacava, der im Februar 1943 auf der griechischen Insel Cafalonia stationiert war. Obwohl die Division sich im September ergab, erschossen deutsche Gebirgsjäger mehr als 5000 Soldaten. Wer das Massaker überlebte, wurde in Lager überführt. Der 35jährige Leonardo musste in einem Dorstener Bergwerk unter Tage arbeiten. An Tuberkulose erkrankt, brachte man ihn mit rund 200 weiteren Betroffenen in das Lager Fullen. Es gibt Aufzeichnungen über seinen dramatischen Zustand, aber auch über seine Sterbestunde. Er hatte, den Tod vor Augen, ununterbrochen an seine Frau und die 1, 4, 8 und 10 Jahre alten Kinder gedacht. Erst seit 1999 sind Überführungen möglich - am 28. Sept. 2013 fand er in Kalabrien seine letzte Ruhestätte (siehe Grabmal), nachdem seiner Familie 67 Jahre nicht bekannt war, wo er beerdigt worden war.

Der Italiener Francesco Lotoro sammelte in 24 Bänden Musik aus Lagern und vertonte sie. Dazu zählen 8 in oder für Fullen geschriebene Stücke des ehemaligen Internierten Pietro Feletti. Dieser wurde 1943 in das Lager Tschenstochau deportiert, von dort verlegt nach Fullen. Auf Initiative von Hermann Krüssel werden in der Meppener Gymnasialkirche am Sonntag, 27. Oktober, um 15 Uhr 5 Stücke daraus zu hören sein – in Deutschland bisher nur ein einziges Mal 2017 in Dachau zum Gedenken an die Lager-Befreiung aufgeführt. Vito (Inhaber des Restaurants Da Vito) wird zur Erinnerung an seine Landsleute singen, an der Orgel begleitet von Martin Tecklenburg. Von 16.30 (ab 16 Uhr geöffnet) bis 17.30 Uhr findet bei Da Vito, Nagelshof 5, eine Lesung mit Bildpräsentation im Außenbereich statt. Hier kann auch das rund 400 Seiten umfassende Buch erworben werden, das unmittelbar vorher auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wird. Zu beiden kostenlosen Veranstaltungen wird eine Anmeldung unter der Tel.-Nr. 05931 - 16035 empfohlen. Sie sind herzlich willkommen!

Ihre Margret Koers

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