„Wir haben heute nix auf!“

Ein Realitätscheck zum Schulbeginn

(akg) In Niedersachsen hat die Schule wieder begonnen und abgesehen von typischen Sätzen, die mein Sohn (7.Klasse) heute genauso sagt, wie ich vor Jahrzehnten, hat sich auch in den ländereigenen Schulgesetzen erstaunlich wenig getan, was dazu führt, dass einige Regelungen heute  (sagen wir) wunderlich wirken.

So heißt es in § 3 Abs. 3 Nr. 2  Schulgesetz Berlin, einem grotesk anmutenden Katalog an Wissen, das die Berliner Schüler anhäufen und können sollen: „insbesondere die Gleichstellung der Geschlechter auch über die Anerkennung der Leistungen der Frauen in Geschichte, Wissenschaft, Wirtschaft, Technik, Kultur und Gesellschaft zu erfahren.“ Hört, hört! Das müssen wir aber auch mal erwähnen, dass diese Leistungen und bitte auch die der Frauen aber auch anerkannt werden müssen! Und wir halten uns mit dem Gender-Sternchen auf…!

Im Bayrischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen heißt es in Art. 2 Abs. 1: „... die Schülerinnen und Schüler zur gleichberechtigten Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten in Familie, Staat und Gesellschaft zu befähigen, insbesondere Buben und junge Männer zu ermutigen, ihre künftige Vaterrolle verantwortlich anzunehmen und Familien- und Hausarbeit partnerschaftlich zu teilen“. So! Da steht´s geschrieben.

Ferner sind „Kenntnisse von Geschichte, Kultur, Tradition und Brauchtum unter besonderer Berücksichtigung Bayerns zu vermitteln und die Liebe zur Heimat zu wecken“.

Ich stelle mir blondbeschopfte Jungs mit geradem Seitenscheitel, Mädchen mit gestärkten Kragen und zwei Zöpfen links und rechts vor, die kniebestrumpft artig in der Schulbank hocken und ihre Heimat lieben.

Wenn ich mir meinen Sohn anschaue und anhöre, den fast alles interessiert, der aber auch sehr gerne chillt und zockt und der Auffassung ist, dass ich („Mamaaaa“ oder zunehmend „Digga“) viel zu wenig chille und irgendwie weird bin, habe ich das Gefühl, die letzte bei „stille Post“ zu sein. Minus 3000 Aura! Alles ist momentan „bodenlos“, selbst der Boden oder „cringe“ (musste ich googeln). Ich fühle mich älter als ich bin.

Vor zwei Jahren hab ich mich noch über Sätze wie „Ich will heute nicht mit Bus“ oder „Kann ich Fanta?“ aufgeregt.

Nix Kultur, Brauchtum, Tradition… aber was soll ich sagen: genauso soll es sein. Ich hoffe, dass wir Eltern unseren Kindern beibringen können, was die Schule nicht schafft und schaffen kann. Da bin ich gerne cringe und weird und kassiere minus 3000 Aura.

Ich habe genug Aura, um das zu überstehen.

photo_5445317790690039897_y.jpg
Anne -Kathrin Gröninger,
Rechtsanwältin