Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument

Ein Überblick

(mt) Zahlreiche Firmen befinden sich derzeit in der Krise. Nahezu alle Branchen sind betroffen. Allein im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen von 1949 im Vorjahreszeitraum auf 2604 gestiegen, wie der Branchendienst Indat berichtet. Das ist eine Steigerung um mehr als ein Drittel.

Warum geraten aktuell so viele Unternehmen in Schieflage?

In den letzten Jahren haben mehrere Faktoren dazu geführt, dass viele Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind:

Pandemiebedingte Störungen: Die COVID-19-Pandemie hat weltweit zu erheblichen wirtschaftlichen Störungen geführt. Lockdowns und andere Restriktionen haben zahlreiche Unternehmen vor immense Herausforderungen gestellt, insbesondere in den Bereichen Gastronomie, Einzelhandel und Tourismus.

Lieferkettenprobleme: Globale Lieferketten sind unterbrochen oder verzögert, was zu Engpässen und erhöhten Kosten für Rohstoffe und Waren führt.

Steigende Energiepreise: Die Kosten für Energie sind stark gestiegen, was besonders energieintensive Industrien belastet.

Inflation und Zinsentwicklung: Steigende Inflationsraten und eine straffere Geldpolitik der Zentralbanken führen zu höheren Finanzierungskosten und einer geringeren Kaufkraft der Konsumenten.

Geopolitische Unsicherheiten: Konflikte wie der Krieg in der Ukraine und handelspolitische Spannungen belasten die globale Wirtschaft und schaffen Unsicherheit.

Anzeichen für eine Krise

Unternehmen müssen ihre finanzielle Lage kontinuierlich überwachen, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Die folgenden Indikatoren können auf eine Krise hinweisen:

Liquiditätsengpässe: Das Unternehmen ist nicht mehr in der Lage, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das ständige Überziehen des Kontokorrentkredits.

Mahnungen und Klagen: Zahlreiche Mahnungen von Gläubigern oder eingehende Klagen sind ein starkes Zeichen für Zahlungsprobleme.

Zahlungseinstellung: Das Unternehmen stellt seine Zahlungen vollständig ein, was meist das letzte Zeichen vor einer Insolvenz ist.

Keine Anschlussfinanzierungen: Schwierigkeiten, neue Kredite zu erhalten oder bestehende Kredite zu verlängern, deuten ebenfalls auf finanzielle Probleme hin.

Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument

Die Eigenverwaltung ist eine besondere Form des Insolvenzverfahrens. Sie ermöglicht es dem Schuldner, weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten und eigenverantwortlich zu handeln, während ein vorläufiger Sachwalter das Verfahren überwacht.

Unterschiede zur Regelinsolvenz

Kontrolle und Leitung: Anders als in der Regelinsolvenz, in der ein Insolvenzverwalter die Kontrolle übernimmt, bleibt die Geschäftsführung bei der Eigenverwaltung im Amt. Dies ermöglicht eine fortlaufende Unternehmensführung durch die vertrauten Personen.

Sachwalter: Ein vorläufiger Sachwalter wird eingesetzt, der die Geschäftsführung überwacht und sicherstellt, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt bleiben. Der Sachwalter hat jedoch keine operativen Eingriffsbefugnisse.

Insolvenzplan oder übertragende Sanierung: Die Eigenverwaltung zielt auf die Erstellung eines Insolvenzplans oder eine übertragende Sanierung ab, die eine Sanierung oder Umstrukturierung des Unternehmens ermöglichen.

Vertrauensvorschuss: Die Eigenverwaltung setzt ein gewisses Vertrauen der Gläubiger in die Geschäftsführung voraus. Es muss glaubhaft gemacht werden, dass die Geschäftsführung in der Lage ist, das Unternehmen erfolgreich zu sanieren.

Vorteile der Eigenverwaltung

Kontinuität: Geschäftsführung bleibt bestehen, was für Kontinuität und Vertrauen bei Kunden und Lieferanten sorgt.

Flexibilität: Die Eigenverwaltung bietet mehr Flexibilität bei der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen.

Schnelligkeit: Die Verfahren können schneller abgewickelt werden, da keine Übergabe an einen externen Insolvenzverwalter erforderlich ist.

Herausforderungen der Eigenverwaltung

Komplexität: Die Eigenverwaltung erfordert ein hohes Maß an Kenntnis über das Insolvenzrecht und eine sorgfältige Planung.

Vertrauensfrage: Die Geschäftsführung muss das Vertrauen der Gläubiger gewinnen und aufrechterhalten, eine transparente und glaubwürdige Kommunikation erfordert.

Risikomanagement: Die Verantwortung für die Sanierung liegt weiterhin bei der Geschäftsführung, was ein hohes Maß an Risikomanagement und strategischem Denken erfordert.

Fazit

Die Eigenverwaltung stellt ein wirksames Sanierungsinstrument dar, das Unternehmen in der Krise die Möglichkeit bietet, unter Beibehaltung der eigenen Geschäftsführung eine Restrukturierung vorzunehmen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen kann die Eigenverwaltung eine attraktive Alternative zur Regelinsolvenz sein, erfordert jedoch ein hohes Maß an Vorbereitung und Vertrauen. Unternehmen sollten frühzeitig Anzeichen von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erkennen und gegebenenfalls die Eigenverwaltung als strategische Option in Betracht ziehen.

Ihre Maike Tallen

Bildschirm­foto 2024-07-01 um 09.13.32.png