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Die Erde bebt

Landsaid hilft nach Erdbeben in der Türkei und Syrien

(th) Am 6. Februar 2023 kam es zu einem schweren Erdbeben im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien. Noch immer kommt es zu weiteren schweren Nachbeben. Die Opferzahlen sind noch immer unklar, da unter den Trümmern der eingestürzten Häuser noch viele Opfer verschüttet sind.

Der gemeinnützige Verein Landsaid organisiert und engagiert sich weltweit bei Naturkatastrophen und in Krisengebieten. Nach der Nachricht von dem schweren Beben in der Türkei war sofort klar, dass auch in diesem Fall Hilfe geleistet werden muss. Gaby Breuckmann aus Meppen war eine Woche Vorort, um Menschen zu helfen und den Bedarf für weitere Hilfe zu koordinieren und zu planen. Im Folgenden berichtet sie.

„Nachdem die Suchhunde und die Bergungsteams die Suche nach Überlebenden eingestellt hatten, konnten wir mit dem ersten Team in die betroffene Region aufbrechen. Wir haben aus den vergangenen Einsätzen gelernt und wollen den Erstversorgern nicht im Wege stehen. Als erstes Team war unsere Aufgabe, die Bedarfe Vorort zu ermitteln: Was wird wirklich benötigt? Wer sind die Ansprechpartner? Wie können wir sofort, mittel- und langfristig den Menschen helfen?

Untergebracht waren wir in  Adana. Auf unserer Fahrt weiter kamen wir in die Stadt Gaziantep. In dem Ort waren nur 15 Häuser zerstört, während ringsum alle Orte völlig zerstört waren. Menschen saßen verstört vor ihren zerfallenen Häusern. Sie versuchten ihre Trauer zu verarbeiten, indem sie den Baggern in der Hoffnung darauf, Vermisste zu finden, dabei zusahen, wie sie den Schutt der zerfallenden Häuser abtrugen. Was für eine furchtbare Art, seine Trauer zu verarbeiten.

Laut eigenen Aussagen hat die AFAD, die türkische Katastrophenschutzbehörde, die Hilfsaktionen gut organisiert. Jedoch sind manche Regionen so abgelegen, dass dort kaum Hilfe ankommt. Wir haben, sofern möglich, die Orte angefahren und Hilfe geleistet.

In Kahramanmaras, was im Epizentrum des ersten schweren Bebens liegt, sah man an jeder Ecke Türkinnen Türken sowie Hilfsorganisationen Essen kochen. Jede und jeder konnte sich hier kostenlos mit Nahrung versorgen. Schnell erfuhren wir, was dringend benötigt wird: Zelte, Rücksäcke, Lebensmittel und Hygieneartikel. Die Türkei ist ein Textilland. Es exportiert Kleidung. Daher besitzt es volle Lager. Von Kleiderspenden ist also, so gut der Gedanke im ersten Augenblick erscheinen mag, abzusehen. Es drohen Seuchen. Die ersten Fälle von Krätze sind bereits aufgetreten. Dies liegt an der fehlenden Hygiene nach dem Erdbeben. Medikamente für chronisch  Kranke, z.B. Diabetiker, fehlen. Die Nächte waren sehr kalt. Wir konnten es nur mit Thermounterwäsche ertragen. Wir haben Lebensmittel, Medikamente, Unterwäsche und Schlafsäcke gekauft und verteilt.

Während der Verteilung in einem Ort begann der Boden zu vibrieren. Wir waren froh, wieder in unsere zwei Stunden entfernte, erdbebensichere Unterkunft aufbrechen zu können. Als wir dort ankamen, fragte man uns erschrocken, ob es uns gut gehen würde. Mit sehr viel Glück waren wir dem zweiten schweren Beben mit einem Wert von 6,4 auf der Richterskala entkommen. Vor der Unterkunft saßen weinende Frauen mit ihren Kindern. Sie hatten sich Stühle zusammengeschoben und schliefen nun verängstigt dort.

Wir wollen kurz-, mittel- und langfristige Hilfe leisten. Daher haben wir in der Woche unseres Aufenthalts die Kontakte zu NGOs, Hilfsorganisationen und Übersetzern aufgebaut. Diese sollen uns mitteilen, was benötigt wird. Die verletzten Kinder und Erwachsenen wurden nach Antalia, nach Izmir oder nach Istanbul zu Amputationen geflogen. Wenn sie von dort zurückkehren, benötigen sie Prothesen. Daher haben wir aus unseren Erfahrungen in Haiti den Aufbau einer Prothesenwerkstatt angeregt. Wir würden die Technik stellen - ggf. auch die Manpower, wenn diese nicht zur Verfügung steht. Das bleibt jedoch abzuwarten. Auch werden Container zum Aufbau von Waisenhäusern mit Spielplätzen dringend benötigt. Mit diesem Einsatz ist die Arbeit nicht beendet, sie beginnt erst! Aber die Menschen Vorort wissen jetzt: Landsaid können sie ansprechen!

Am Dienstag, den 21.2.2023, sind wir wieder in Deutschland angekommen. Ich bin doch recht müde. Die vorhergehenden Tage habe ich wegen der vielen kleinen Nachbeben schlecht geschlafen. Ich hatte meine Schuhe so aufgestellt, dass ich schnell hineinspringen konnte, mein Flugticket und Ausweis greifen konnte, um im Falle eines Falles schnell aus unserer Unterkunft entkommen zu können. Wie müde müssen erst diese Betroffenen sein, die mit dieser ständigen Erdbebengefahr leben müssen? Ob und wann wohl diese Menschen jemals wieder etwas von ihrer Normalität wiederfinden?“

(Gaby Breuckmann, Landsaid)