(akg) Schwerbehinderte Menschen stehen unter besonderem Schutz. Dies ist auch im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses der Fall. Hier besteht u.a. ein besonderer Kündigungsschutz, der gem. § 168 SGB IX so ausgestaltet ist, dass bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zuvor die Zustimmung vom Integrationsamt eingeholt werden muss.
Das Bundesarbeitsgericht hatte jedoch über einen Fall zu entscheiden (BAG, Urteil vom 02.06.2022, 8 AZR 191/21), bei dem der Arbeitnehmer schwer erkrankt, aber noch nicht offiziell als schwerbehindert anerkannt worden war oder auch nur einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung gestellt hatte.
Ob ein Mensch schwerbehindert im o.g. Sinne ist bestimmt § 2 I 1 SGB IX, der besagt, dass Menschen mit Behinderungen solche Menschen sind, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, § 2 I 2 SGB IX, wobei für die Feststellung einer Schwerbehinderung ein Grad der Behinderung (GdB) von mind. 50 anerkannt sein muss.
Im zu entscheidenden Fall verlangte ein Hausmeister von seinem Arbeitgeber eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil er sich wegen seiner „Schwerbehinderung“ benachteiligt fühlte.
Er erlitt einen Schlaganfall und erhielt daraufhin die Kündigung seines Arbeitgebers, bevor eine Schwerbehinderung offiziell festgestellt wurde. Er war der Auffassung, dass er wegen des Schlafanfalles und der daraus resultierenden Halbseitenlähmung eindeutig schwerbehindert, bzw. zumindest wie ein schwerbehinderter Mensch schützenswert sei. Der Arbeitgeber hätte seiner Ansicht nach die Zustimmung des Integrationsamtes einholen müssen und forderte eine Entschädigung.
Das BAG entschied jedoch anders: Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, weil aufgrund fehlender Feststellung der Schwerbehinderung der § 168 SGB IX hier keine Anwendung fände.
Im Zeitpunkt der Kündigung war weder die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch noch die Feststellung auf Gleichstellung eines schwerbehinderten Menschen beantragt, geschweige denn festgestellt worden.
Sobald also eine schwere Erkrankung, die voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen wird, eintritt, sollte vorsorglich ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung gestellt werden, um arbeitsrechtliche Nachteile zu vermeiden.