Das Blech, aus dem die Kinderträume waren

Spielzeugbagger aus den 1950er Jahren

Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

(mb) Im Alter von drei oder vier Jahren war mein ganzer Stolz ein dunkelblau lackiertes Tretauto. Das Gefährt aus Weißblech hatte eine Quetschhupe, die lustige Geräusche machen konnte, und sogar Scheinwerfer, die sich an- und ausschalten ließen. Noch heute bleibe ich vor Geschäften stehen, die altes Blechspielzeug verkaufen. Ich blicke durch die Schaufenster zurück in meine Kindheit, mit leuchtenden Augen und entrücktem Lächeln. Daher verweilte ich kürzlich vor der Abteilung „Kinderspielzeug“ im Schaumagazin des Stadtmuseums in der Arenbergischen Rentei. Mein Blick fiel auf eine abgewetzte Spielzeugverpackung. Auf dem vergilbten Etikett des Deckels schaufelt ein Bagger – ein Blechspielzeug.

Spielzeug aus Blech wurde ab 1890 in Massenfertigung hergestellt. Ein Jahr zuvor war der farbige Blechdruck möglich geworden. Die ersten blechernen Spielzeugautos rollten 1898. Wenig später kamen Motorräder, Traktoren, Eisenbahnen, Schiffe und Flugzeuge dazu. Es waren hauptsächlich Spielsachen, für die sich Jungen begeistern sollten. Doch es gab auch Blechspielzeug, das eher für Mädchen gedacht war: Kreisel, die brummten; Tiere, die hüpften; Karussells, die sich drehten.

Auf der Spielzeugverpackung sind drei Großbuchstaben zu lesen, von denen der mittlere herausragt: „MFZ“. Sie stehen für „Martin Fuchs Zirndorf“. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die im Landkreis Fürth gelegene Stadt für ihre Spielzeugfabriken bekannt. Fuchs gründete dort 1919 die „Martin Fuchs Metallwarenfabrik“, einen Betrieb für Haushalt- und Spielwaren. Schon bald konzentrierte er sich auf die Produktion von Blechspielzeug und nannte seine Fabrik „MFZ“. Musikkreisel, Miniaturboote und -küchen zählten zu seinen ersten Produkten. Die Firma Fuchs hat den Bagger, der im Schaumagazin der Rentei parkt, in der ersten Hälfte der 1950er Jahre hergestellt. Bis 1955 versah sie ihr Blechspielzeug mit dem Logo „MFZ“. Anschließend ersetzte sie es durch ein Symbol mit dem Kopf eines Fuchses und dem Namen „Fuchs“. Bagger galten als „Jungenspielzeug“. Die Baumaschine sollte Jungen für einen möglichen Beruf in der Branche begeistern, sei es als Bauarbeiter oder als Ingenieur.

Verblüffend ist die Ähnlichkeit zwischen dem Spielzeugbagger und dem Universalbagger „Unibag 275“, den das „Wittener Baggerwerk Ludwig Malzbender“ ab 1956 in Meppen herstellte. Beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit waren Kleinbagger gefragt. Malzbender beanspruchte für den Aufbau des Werks an der Riedemannstraße Fördermittel der Emsland GmbH, des Landkreises und der Stadt Meppen in Höhe von 1,2 Millionen Mark. Doch 1958 verkleinerte der Unternehmer die Produktion und entließ Mitarbeiter. Stattdessen gründete er in Fürstenau ein weiteres Werk und konnte auch dort Steuergelder „abbaggern“. „Viel versprochen – wenig gehalten. Wie Trittbrettfahrer die Emslandförderung ausnutzten“, heißt die Studie der beiden Historiker Manfred Fickers und Erik Kleine Vennekate über das Baggerwerk Meppen. Ludwig Malzbender habe genau gewusst, „wie er an Gelder der öffentlichen Hand kommt, ohne das Risiko einzugehen, größere Summen davon später an den Steuerzahler zurückerstatten zu müssen“.

Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich beim Spiel mit dem Blechbagger wie bei der Arbeit in einem „Unibag“ zu fühlen. Auf hellbraunen Raupenketten aus Gummi walzte er über Sandhäufchen und Erdklümpchen. Ein Hebel an der Rückseite der grauen Fahrerkabine bewegte den roten Ausleger, zwei weitere daneben öffneten und schlossen den gezackten Schalengreifer. Über eine kleine, mit einer feingliedrigen Kette verbundenen Kurbel an der rechten Seite der Kabine ließ sich der Greifer heben und senken.

Es dürfte ein Leichtes gewesen sein, kleine Schächte und Gruben auszuheben und wieder zu verfüllen, kleine Sand- und Erdhaufen hierhin oder dorthin zu schaufeln.

In den 1960er Jahren neigte sich die Zeit des Blechspielzeugs ihrem Ende entgegen. Mehr und mehr bevorzugten die Spielzeughersteller bei der Herstellung Kunststoff, nicht nur aus Kosten-, sondern auch aus Sicherheitsgründen, denn das mitunter scharfkantige Spielzeug aus Metall barg Verletzungsgefahren. Dem Kunststoff verschloss sich auch die Firma Fuchs nicht. Sie verabschiedete sich 1985 ganz vom Blech.

Die Spur meines blechernen Tretautos verlor sich in den 1970er Jahren. Da war ich längst auf ein „Kettcar“ umgestiegen. Mein Tretauto muss, schon arg ramponiert, bei einem Großreinemachen in der Garage im Müll gelandet sein. In einem Museum hätte es sich bestimmt gut gemacht.

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