Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.
(cr/bs) Sie gilt als Auslöser und Motor der Industrialisierung Europas im 19. Jahrhundert und ist als Sinnbild fossiler Energieträger Gegenstand heftiger wirtschaftlicher und politischer Debatten – kaum ein Rohstoff hat es zu solch moderner Symbolkraft gebracht wie die Steinkohle. Möglicherweise war ihre Nutzung schon in der Antike bekannt. Für das Mittelalter liegen schriftliche Zeugnisse vor, die belegen, dass man den brennbaren „Erdstoff“ damals schon zu wirtschaftlichen Zwecken örtlich abbaute. Wohl schon im 14. Jahrhundert wurde u. a. im heutigen westlichen Ruhrgebiet nach Kohle gegraben. Der bergmännische Abbau der deutschen Kohle im großen Stil stand aber im Zusammenhang mit der Industrialisierung in England: dort hatte man 1713 ein Verfahren zur Herstellung von Koks aus Steinkohle entwickelt. Der Koks hatte bald bei der Eisenverhüttung und Stahlerzeugung die Holzkohle als Energieträger abgelöst – die Innovation der Eisen- und Stahlindustrie und die darauf fußende Entwicklung von Dampfschifffahrt und Eisenbahn waren dann buchstäblich die Flammen, die den europäischen Industrialisierungsprozess anheizten. Der Kohle-Hunger der sich industrialisierenden Nationen schien ab Mitte des 19. Jahrhunderts schier unstillbar – vielerorts begann ein „Run“ auf die Kohlevorkommen. Es entstanden „Industriereviere“ wie z. B. das „Rheinisch-Westfälische Kohlen- und Industriegebiet“, die Europa mit dem begehrten Rohstoff versorgten. In der Zeit der Hochindustrialisierung in Deutschland zwischen 1870/71 und 1914 wurde die Ausbeutung intensiviert. Das Ruhrgebiet entwickelte sich zum größten industriellen Ballungsraum Europas. Im Zuge des sog. „Wirtschaftswunders“ in den 1950er Jahren kam der Kohle noch enorme Bedeutung zu. Mit der sog. „Kohlekrise“ begann ab ca. 1957/58 jedoch der Niedergang: die Produktion wurde zurückgefahren, immer mehr Zechen schlossen. Ein Grund war, dass das Erdöl der Kohle als Energieträger „Nummer 1“ den Rang ablief.
Dennoch blieben der Abbau und die Nutzung von Steinkohle weiter wirtschaftlich relevant: einmal für die Befeuerung der weiter existierenden Kohlekraftwerke, dann aber auch für den Hausbrand – viele Menschen wärmten ihre Wohnungen in den 1970er und 1980er Jahren noch mit Dauerbrandöfen, in denen Steinkohle, u. a. in Form von Briketts oder „Eierkohlen“ verheizt wurde. Auch in Gärtnereien, Schwimmbädern und Sporthallen waren weiter Kohleöfen in Betrieb.
Die Kohle-Probe aus der Produktion der PREUSSAG AG legt davon Zeugnis ab. Es handelt sich bei der Probe um hochwertige Anthrazitkohle mit über 90 Prozent Kohlenstoffanteil, also hohem Brennwert, die aber nicht im Ruhrgebiet, sondern im ebenfalls traditionsreichen Bergbaurevier Ibbenbüren gewonnen wurde. Bereits im 16. Jahrhundert war hier nach Kohlen geschürft worden. Im Jahr 1924 hatte die im Jahr davor gegründete „Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft“ (PREUSSAG) die dortige Produktion übernommen. Der Stammsitz der Firma war Berlin, Produktionsstandorte waren nicht nur in Ibbenbüren, sondern auch in Bad Oeynhausen und Barsinghausen. Neben Stein- und Braunkohle wurden auch Kali- und Steinsalze, Eisen, Buntmetalle wie Blei, Zink und Silber, Kalk sowie Erdöl gefördert bzw. produziert. Neben der Grundstoffgewinnung setzte der Konzern seit den 1960er Jahre auch auf das Verkehrswesen. 1997 erwarb die PREUSSAG die HAPAG-LLOYD AG mit den Sparten Transport und Touristik und wandelte sich vom Mischkonzern mit seinen vielen Standbeinen zu einem reinen Touristik-Konzern. Der neu entstandene TUI-Konzern konnte aber nicht mehr an die wirtschaftlichen Erfolge der „alten“ PREUSSAG anknüpfen.
Die Werbeprobe für „Preussag Anthrazit“ richtete sich vor allem an Privathaushalte: Händler, die sowohl Öfen als auch Brennmaterial vertrieben, wurden mit dem Artikel zur Weitergabe an die Verbrauchenden ausgestattet. Geworben wurde für das „Energiebündel“ mit der Herkunft aus Deutschland als „beste deutsche Steinkohle“, die nicht „aus fremden Ländern, sondern der weltbekannten norddeutschen Anthrazit-Lagerstätte“ käme, der hohen Qualität des Naturprodukts, das „sauber, sparsam, umweltschonend“ für ein „wohligeres Wärmeerlebnis“ sorge und nicht zuletzt mit der hier vorgestellten „Nuß 3“-Körnung bzw. Größe, die in allen gängigen Dauerbrennern eingesetzt werden könne. Die genauere Datierung des hier vorgestellten Objekts des Monats Oktober gelingt auf Grundlage zweier Indizien: das „Grüne Punkt“-Emblem auf der Vorderseite verweist auf das Jahr 1990, in dem die „Duales System Deutschland, Gesellschaft für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffgewinnung mbH“ gegründet wurde. Die auf der Rückseite angegebene fünfstellige Postleitzahl des Orts Ibbenbühren wurde 1993 eingeführt. Der Werbeartikel wird um das Jahr 1994 auf den Markt gebracht worden sein.