Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.
(mko) Die „Bahnhof-Apotheke“ in Meppen wurde im Jahr 1950 vom Apotheker Max Gehrmann als zweite Apotheke der Stadt gegründet. Die Gründung war eine Reaktion auf den damals stark gestiegenen Bedarf an medizinischer Versorgung. Nach dem verlorenen Krieg waren ab 1945 alliierte Soldaten in Meppen eingerückt. Neben den Besatzern waren Befreite aus den Emslandlagern und die ins Emsland strömenden Ostflüchtlinge in die Stadt gekommen, viele von ihnen unterernährt, in schlechter Verfassung und nur in Behelfsunterkünften untergebracht. Die hygienische und medizinische Lage war zeitweise prekär, Apotheken kam in dieser Zeit eine gehobene Bedeutung zu.
1958 übergab Gehrmann den Betrieb an seinen Stiefsohn Dr. Klaus Lengnick, der der Apotheke das chemisch-pharmazeutische „Anna-Laboratorium“ angliederte, in dem hinfort eine große Zahl von „Eigenspezialitäten“ entwickelt und hergestellt wurde. 1960 wurde Ernst Heine neuer Apothekenleiter. Er veranlasste Umbauten und Erweiterungen, u. a. wurde die Apotheke um eine Drogerie-Abteilung ergänzt. 1975 erwarb der spätere langjährige Vorsitzende des Meppener Heimatvereins, Christoph Behnes, im Alter von 29 Jahren die Einrichtung.
Ein treuer Begleiter im täglichen Geschäftsleben war für Christoph Behnes in seinen Anfangsjahren eine Registrierkasse des Modells „Klasse 84 Kristall“ aus dem Hause „National“, die er beim Kauf der Apotheke von seinem Vorgänger übernahm und bis in die späten 1980er Jahre nutzte. Die „Klasse 84“ gilt als das Erfolgsmodell unter den Registrierkassen der frühen Nachkriegszeit – und war die erste vollelektrische Kasse des Unternehmens. Trotz seines damals innovativen Charakters symbolisiert das über 40 Kilogramm schwere „Monstrum“ für Behnes den rasanten Wandel des Bestell- und Abrechnungswesen in Apotheken von den 1970er Jahren bis ins neue Jahrtausend.
Die Kunst, eine Apotheke wirtschaftlich erfolgreich zu führen, steht und fällt mit der Fähigkeit des Inhabers, aus den rund 100000 verfügbaren Arzneimitteln die 15000 auszuwählen, die vor Ort von den Kunden tatsächlich nachgefragt werden. Dazu diente in der Bahnhof-Apotheke Christoph Behnes ein von seinem Vorgänger Ernst Heine eingeführtes „Kärtchen-System“: Ein Kärtchen wurde an jedem Platz eines Arzneimittels im Regal installiert. Auf der linken Seite der Karte war vermerkt, welche Menge des Medikamentes
stets vorrätig sein musste. Wurde diese Menge unterschritten, befand sich auf der rechten Seite eine Zahl, die die neu zu bestellende Menge anzeigte.
Bestellt wurde in den 1970er bis 1980er Jahren überwiegend handschriftlich und telefonisch. Eine Übersicht über die auf dem Arzneimittelmarkt verfügbaren Medikamente konnten sich Apotheker zu diesem Zeitpunkt bereits über Mikrofilme verschaffen, die die bis dahin schriftlichen Verzeichnisse ersetzten. Eine wirkliche Digitalisierung des Bestellwesens setzte jedoch erst in den 1990er Jahren ein, als Behnes den ersten Computer für die Bahnhof-Apotheke anschaffte. Mit dem Aufkommen des Internets konnten die Bestellungen dann ab den frühen Jahren des neuen Jahrtausends schon „volldigital“ übermittelt werden. Für diesen Teil der Entwicklung war aber nicht mehr allein Christoph Behnes, sondern dessen Sohn Christian mit seiner Frau Dr. Susanne Behnes verantwortlich, die 2007 die Geschäftsführung übernahmen.
Die Digitalisierung veränderte den geschäftlichen Alltag der Apotheken stark. Im Gegensatz zu den Online-Apotheken ist die persönliche Kundenbindung der große Vorteil: „Um uns gegen die Online-Händler zu behaupten, punkten wir mit kompetenter fachlicher Beratung und einem vertrauensvollen Verhältnis zu unserer Stammkundschaft“, konstatiert Christoph Behnes. So erinnert an den vordigitalen Apothekenbetrieb heute nur noch die schwere Registrierkasse, die heute Teil der musealen Sammlung des Heimatvereins Meppen ist.