Kanonenkugel aus dem Dreißigjährigen Krieg

Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

(mko) „Dreißig volle Jahre lang Krieg im Lande! Armes Emsland, wie hat man deine Flure zerstampft, deine Wälder entholzt, deine Bewohner gequält, gemordet, geschunden. Damals wurdest du das Stiefkind der deutschen Landschaften […].“ Mit diesen Worten beschreibt Studienrat Alexander Geppert in seinem 1925 im „Heimat-Kalender“ des Kreises Meppen veröffentlichten Beitrag „Die Geschichte des Emslandes im Rahmen der allgemeinen deutschen Geschichte“ die Folgen des Dreißigjährigen Kriegs für die Stadt Meppen und das Emsland.

In der Tat kam es im ersten gesamteuropäischen Großkonflikt um den „rechten“ Glauben, an dem sich schließlich fast alle europäischen Großmächte beteiligten, auch im Emsland zu grausamen Verheerungen. In besonderer Weise war die Stadt Meppen, die in dieser Zeit zur Festungsstadt ausgebaut wurde, von den Kriegseinwirkungen betroffen. Im November 1622 rückte der auf Seiten der „Protestantischen Union“ kämpfende Heerführer Ernst von Mansfeld mit seinen „Kriegsknechten“ in Meppen ein. Kurz zuvor war Mansfeld aus dem Sold der niederländischen Generalstaaten entlassen worden und ließ seine Truppe daher „aus dem Lande leben“. Das umfasste Brandschatzungen, Übergriffe und Plünderungen, um die Versorgung der Söldnerheere sicherzustellen, die den Konflikt für die Kriegsparteien austrugen. Das betraf nicht nur die bäuerliche Landbevölkerung, die um ihre Ernteerträge gebracht wurde, sondern auch die Stadtbewohnerschaft, die den Soldaten Unterkunft und Verpflegung zu liefern hatte.

Im Sommer 1623 näherte sich dann der kaiserliche, für die „Katholische Liga“ streitende Feldherr Graf von Tilly der Festung Meppen. Die Mansfelder Soldaten hatten die Stadt bereits verlassen. Kampflos besetzten Tillys Truppen die Stadt. In den Jahren darauf trafen weitere kaiserliche Soldaten – u. a. Milizen des Bischofs von Münster – ein. Die Versorgung der Garnison war nun zeitweise schwierig. Die Lebensmittel reichten nicht aus; Diebstahl, Raub und Gewalttätigkeiten waren die Folge. Viele Stadtbewohner wanderten in dieser Zeit aus, Häuser und Wirtschaftsflächen blieben verödet zurück.

Eine weitere Wende nahm der Konflikt im Emsland, als der aus Ostfriesland stammende Soldatenführer Dodo von Inn- und zu Knyphausen auf Seite der Protestanten 1629 in den Dienst des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf eintrat. Nach mehreren siegreichen Schlachten wurde er im Sommer 1633 mit dem Emsland belehnt. Er wählte Meppen mit der Paulsburg zu seiner Residenz, hielt hier Hof und ließ die Festung ausbauen. Der von ihm angestrebte Aufbau einer emsländischen Landesherrschaft gelang ihm allerdings nicht. Am 11. Januar 1636 fiel Knyphausen in der sog. „Schlacht bei Haselünne“ im Kampf gegen kaiserliche Truppen. Ihr Anführer war gefallen, aber die schwedischen Truppen konnten dennoch den Sieg davontragen und hielten in der Folge die Festung Meppen noch für zwei weitere Jahre besetzt, bis sie 1638 wieder in katholische Hand fiel.

Von Bedeutung für den militärischen Erfolg der schwedischen Truppen war unter anderem die damals innovative Waffentechnik, die auf einer hoch entwickelten Artillerie beruhte. Im Rahmen der Reihe „Objekt des Monats“ wird daher diesmal eine schwedische Kanonenkugel präsentiert, die vermutlich von den Schweden möglicherweise auch  in der „Schlacht bei Haselünne“ eingesetzt wurde. Die Kugel wiegt 226 Gramm, hat einen Durchmesser von 4,7 Zentimetern und ist aus Gusseisen mit einer mittigen Naht gefertigt. Sie ist damit bedeutend kleiner und leichter als die im Dreißigjährigen Krieg noch häufig eingesetzten Stein-Kanonenkugeln. Verschossen wurden diese Eisenkugeln mit sog. „Lederkanonen“, die mit 140 Kilogramm Gewicht nur etwa ein Drittel eines üblichen Feldgeschützes wogen. Die Schweden setzten diese neue Waffe z. B. 1631 bei der Schlacht von Breitenfeld nahe Halle ein und errangen damit einen vollständigen militärischen Sieg gegen die katholischen Kräfte. Ihre zerstörerische Wirkung entfalteten die Kugeln, wenn sie als sog. „Kartätsche“ verschossen wurden. Dabei wurde eine Vielzahl von Kugeln im Kanonenrohr platziert, so dass diese beim Abfeuern der Kanone eine Streuwirkung entwickelte und verheerende Zerstörungen anrichten konnten. Kartätschen wurden vor allem gegen sog. „Weichziele“, ungedeckte Menschen, eingesetzt und zeigen den grausamen Erfindungsreichtum, der die „moderne“ Kriegführung damals, aber auch heute noch, kennzeichnet.

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