(fb) Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich in Deutschland die Idee des Gemeinschaftssparens z. B. in Behörden, Betrieben, Schulen und schließlich sogar in sog. „Sparvereinen“. Grundgedanke dabei war das regelmäßige Einsammeln von kleinen Geldbeträgen, für die es schließlich eine entsprechende Einrichtung geben musste – einen sog. „Sparschrank“. Früh beteiligten sich Geldinstitute an diesem Geschäft, warben für die Aufstellung von Sparschränken vor allem in Gaststätten und -räumen und lieferten die notwendigen „Kleinspareinrichtungen“ gleich mit, Die Institute wirkten auch bei der Gründung örtlicher Sparvereine und „Sparclubs“ mit und stellten schließlich den – meist mit einem werbewirksamen Aufdruck des jeweiligen Instituts versehenen – Sparschrank kostenlos zur Verfügung. Bald gehörten solche Schränke zur üblichen Ausstattung in Gaststätten und Kneipen.
Die Sparschränke waren meist aus Stahl gefertigt und verfügten über eine Reihe nummerierter Fächer mit Schlitzen. Bei manchen Kästen war zusätzlich ein mit einer Kette befestigter Schieber angebracht, mit dem Banknoten in den Schlitz gedrückt werden konnten. Die Schlitze waren nummeriert oder mit kleinen Fenstern für Namensschilder versehen. Jede:r Sparende bekam ein Fach und steckte dort Woche für Woche einen kleinen Teil seines Lohns in den Schlitz. Monatlich wurden die Fächer geleert, der Inhalt gezählt und die Beträge in einem handschriftlichen Notizbuch dokumentiert, so dass die Höhe der Einlagen jedes Mitgliedes aufgezeichnet und der Inhalt zur Bank gebracht werden konnte. Die Schränke waren meist mit zwei verschiedenen Schlössern gesichert, die nur von zwei Personen mit zwei Schlüsseln gleichzeitig geöffnet werden konnten. Zum Schutz vor Diebstahl wurden die Sparschränke fest in der Wand verdübelt.
Am Ende eines Sparjahrs, welches viele Sparclubs in die Vorweihnachtszeit legten, fand meist im festlichen Rahmen die Auszahlung der Spareinlagen, die sog. „Sparfachleerung“ statt. In Norddeutschland war die Idee des Gemeinschaftssparens auch als „Weihnachtssparen“ bekannt. Ob die gesamte Spareinlage ausgezahlt oder ein Teil davon für die Kosten der Feier herangezogen wurde, war unterschiedlich geregelt. Die Feiern fanden im „Vereinslokal“, üblicherweise in der Gaststätte, in der der Sparschrank hing, statt. In jedem Sparklub entwickelten sich zu deren Gestaltung eigene Formen und Traditionen. Manche Gemeinschaften veranstalteten auch statt einer Feier z. B. einen gemeinsamen Ausflug. Neben dem gemeinsamen Sparen spielte die Geselligkeit eine große Rolle, in der schließlich auch der soziale Zusammenhalt gestärkt wurde. Zu Beginn des neuen Jahres startete dann der Sparzyklus wieder von vorn.
Auch in der nach ihrem Wirt Anton Nordgerling (1927–2017) benannten Kultgaststätte „Nordgerling“ in der Meppener Schützenstraße wurde in den 1980er Jahren „gespart“. Es war die ortsansässige Volks- und Raiffeisenbank, die die – charakteristisch blaue – „Kleinspareinrichtung“ dafür geliefert hatte. Der Sparschrank konnte die Einlagen von 24 Sparenden aufnehmen. Schied ein:e Sparer:in aus oder kam jemand hinzu, wurden die handschriftlichen Namensschilder aktualisiert. Es ist anzunehmen, dass der Schrank zuletzt nicht mehr zum Sparen genutzt wurde, sondern nur noch der Dekoration diente. Er wurde also außer Betrieb gesetzt, bevor „Nordgerling“ den Kneipenbetrieb einstellte. Das spannende Objekt fand im Zusammenhang mit den Vorbereitungen der aktuellen Sonderausstellung „Vom Dorf zur Stadt. Die Gebietsreform von 1974 im Raum Meppen“ seinen Weg ins Stadtmuseum. Anhand von lebendigen Inszenierungen wird in der Ausstellung das dörfliche Leben in den 1970er Jahren erlebbar gemacht. Der Sparschrank ziert hier die Holzwand einer inszenierten „Dorfkneipe“ und erzählt von einer Zeit, als Wirtshäuser und Gaststätten noch eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Zusammenleben spielten und das gesellige Beieinandersein „im Verein“ und im Gasthaus ein fester Bestandteil der Dorfkultur war. Die Ausstellung ist noch bis zum 14. April 2024 im Stadtmuseum zu sehen.