Wärmflasche

Gefertigt aus einer Geschosshülse

Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

(fb) Der Alltag nach Ende des Zweiten Weltkriegs war hart und entbehrungsreich. Die meisten Menschen lebten in ärmlichen Verhältnissen. Durch den Krieg war nicht nur der Wohnraum, sondern auch der Hausrat zerstört worden. Der großen Nachfrage nach Gegenständen des täglichen Bedarfs stand bei Kriegsende nur ein geringes Angebot gegenüber.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit fehlte es der deutschen Zivilbevölkerung eigentlich an allem. Doch die Not machte erfinderisch: „Aus Alt mach Neu“ war das Motto. Die Wiederverwertung oder Nachnutzung von kreativ umgebauten Materialien, neudeutsch das „Upcycling“, folgte damals jedoch keinem Umweltschutzgedanken, es war schlicht dem Mangel geschuldet. Aus vorhandenen Materialien, darunter vielfach zur Verfügung stehende Militärausrüstung, wurden Alltagsgegenstände des täglichen Bedarfs hergestellt, sogenannte „Notbehelfe“. Das waren z. B. Kleider aus Fallschirmseide, Decken aus Mehlsäcken, eingefärbt mit Zwiebelschalen, Eierbecher aus Handgranatenteilen, Jaucheschöpfer aus einem Wehrmachtshelm an einem Holzstiel, Paddelboote aus einem Militärflugzeugtank und Pfeifen aus Patronenhülsen. Es gab auch sogenanntes „Notspielzeug“, einfaches selbst gebautes Spielzeug aus Alltagsgegenständen. Während des Zweiten Weltkriegs war die Spielzeugproduktion eingestellt worden. Kinder und Eltern fertigten nun selbst Spielsachen aus Munitionshülsen und Fallschirmseide, aus Holzresten oder Blechdosen. Die Zeit des Notspielzeugs begann mit einem Erlass im März 1943, in dem die Herstellung von Spielzeug beschränkt wurde, um Kapazitäten für die Rüstungsindustrie zu schaffen. Aus Spielsachen wurden Rüstungsgüter und nach Kriegsende wieder Spielsachen.

Das hier vorgestellte Objekt stammt aus dem Besitz der Meppener Familie Strodt und ist ein Neuzugang in der Museumssammlung. Dabei handelt es sich um eine Wärmflasche, die in der Not aus der Hülse einer Flakpatrone gefertigt wurde, um sich damit vor der Kälte des Winters zu schützen. Der sogenannte Hungerwinter 1946/47 war einer der kältesten Winter in Deutschland seit Jahrzehnten und gilt als strengster des 20. Jahrhunderts im Nordseeraum. Im Nordwesten sanken die Temperaturen mehrmals auf bis zu minus 20 Grad. In Deutschland starben nach Schätzungen von Historikern mehrere Hunderttausend Menschen. Bezogen auf die Ernährungslage ist das Jahr 1947 das kritischste der gesamten Nachkriegszeit. Die meisten Straßenzüge lagen nach wie vor in Trümmern. Menschen hausten zusammengepfercht auf engstem Raum in Kellern oder in Wohneinheiten, die nicht komplett zerstört, aber schwer beschädigt waren: mit vernagelten Fenstern und notdürftig geflickten Dächern. Heizen oder kochen konnte man nur selten, weil Brennmaterial fehlte. In der Not schritten viele Betroffene zur Selbsthilfe und nahmen sich, was sie kriegen konnten. Die Wärmflasche ist ein „sprechendes“ lokales Zeugnis dieser dramatischen Zeit.