Anziehpuppen aus den 1970er Jahren

Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

(fb) Der neue „Barbie“-Film ist weltweit der umsatzstärkste Kinofilm des aktuellen Jahres. Er thematisiert das Leben einer der bekanntesten und meistverkauften Puppen der Welt, welche längst ein Spielzeugklassiker ist. Die Idee zur Figur kam der amerikanischen Unternehmerin Ruth Handler, nachdem sie ihre Tochter Barbara, von der die Puppe ihren Namen hat, Anfang der 1950er Jahre beim Spielen mit zweidimensionalen Anziehpuppen aus Papier beobachtet hatte. Diesen Puppen konnte man verschiedene Kleidungsstücke aus Papier „anziehen“, indem man sie mit Laschen befestigte.

Anziehpuppen aus Papier sind seit Ende des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa bekannt. So liest man im „Journal des Luxus und der Moden“ aus dem Jahr 1791 in Bezug auf die Papierpuppen: „Eine neue sehr artige Erfindung ist die so genannte englische Puppe, die wir vor kurzem aus London erhalten haben. Es ist eigentlich ein Kinderspiel für kleine Mädchen, aber dabei so artig und geschmackvoll, dass wohl auch Mütter und erwachsene Frauenzimmer gern damit spielen […]“. Weite Verbreitung fanden die Ankleidepuppen allerdings erst mit dem Aufkommen fortschrittlicher Drucktechniken im Verlauf des 19. Jahrhunderts, welche die Herstellung zunehmend kostengünstiger machten. So wurden ab den 1830er Jahren statt teurer Sets mit bereits spielfertigen Puppen und Kleidungsstücken überwiegend preiswerte Bögen zum Selbstausschneiden angeboten. Darüber hinaus waren Ankleidepuppen nun auch in zeitgenössischen Zeitschriften zu finden. Das französische Modejournal „Psychée“ beispielsweise druckte sie, damit sich die Leser:innen nach dem Ausschneiden und Aufstellen der Puppen einen besseren Eindruck der im Magazin vorgestellten Kleidungsstücke machen konnten.

Um 1900 erfreuten sich Ausschneidepuppen allergrößter Beliebtheit: Sie schmückten als Kaufanreiz die Warenverpackungen von Kaffee, Schokolade oder Nähgarn und waren in den verschiedensten Zeitungen und Zeitschriften zu entdecken. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war das Spielen mit Anziehpuppen sehr beliebt. Die Sets bestanden nun vor allem aus Kinderfiguren, die sich mit den verschiedensten Kleidungsstücken und Spielgeräten ausstatten und zu Szenen zusammenstellen ließen. Jedoch begann bereits gegen Ende der 1950er Jahre vor allem in Amerika das Interesse an den „Paper Dolls“ merklich abzuflauen. Die Papierpuppen wurden immer seltener und gleichzeitig aufgrund der begrenzten Lebensdauer des Materials zu Sammelobjekten – oder aus nostalgischen Gründen als Erinnerungsstücke aufgehoben.

Als solche gelangten die hier vorgestellten Anziehpuppen in die Sammlung des Meppener Stadtmuseums und sind derzeit im Schaudepot in der ehemaligen Arenbergischen Rentei untergebracht. Sie geben nicht nur einen Einblick in die Spielzeugwelt vergangener Jahrzehnte, bevor elektronische Medien ihren Siegeszug in den Kinderzimmern antraten, sondern zeigen auch die Kleidungsgewohnheiten und Moden jener Zeit. Klassische Geschlechterrollen ließen sich mit den Figuren, Kleidungsstücken und Accessoires darstellen: der Vater mit Aktentasche und Mantel auf dem Weg zur Arbeit, die Mutter mit Kleid und Schürze, emsig im Haushalt beschäftigt. Sportkleidung, Roller und Fußball passten zu den Jungen, mit Röckchen, Blumenstrauß und Nähzeug wurden die Mädchenfiguren ausgestattet.  Besonders reizvoll wird es für die Kinder aber gewesen sein, den männlichen Figuren Kleider und Röcke anzuziehen und die Mädchen dafür mit rustikaler Jungenmode auszustatten. Eine Besonderheit stellten die Märchen-Sets dar: hier ging es darum, bekannte Märchenfiguren wie Rotkäppchen, Schneewittchen oder Dornröschen mit den passenden, aus den Geschichten bekannten Kleidern und Gegenständen auszustatten. Auch hier zeigte sich das zeitgenössische Bildungsideal.