„Blüchersäbel“ aus den Napoleonischen Kriegen

Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

(bs) Anfang der 1970er Jahre fand der Meppener Landwirt Bernhard Bölle beim Pflügen am Rande seines Ackers „am Strietfeld“ einen länglichen verrosteten Gegenstand. Es stellte sich nach einer vorsichtigen Reinigung heraus, dass es sich bei dem Fund um einen recht gut erhaltenen Säbel in einer Säbelscheide handelte. Weitere Nachforschungen unterblieben zunächst, der Säbel wurde fast 50 Jahre lang im Haus der Familie Bölle „an einem sicheren Ort“ aufbewahrt. Der Sohn des Finders, Bernd Bölle, der auf dem väterlichen Hof heute zusammen mit seiner Frau einen Reiterhof betreibt, kam unlängst in Kontakt mit dem Teglinger Heimatforscher Michael Koers. Dieser regte Recherchen über die Herkunft und die Geschichte des lokalgeschichtlich bedeutsamen Fundes an. In diesem Zuge wurde der Säbel als Dauerleihgaben dem Stadtmuseum Meppen übergeben.

Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Teglinger Modell mit ziemlicher Sicherheit um einen sogenannten „Blüchersäbel“ handelt. Vorbild für diesen Säbeltyp war das „light cavalry trooper‘s sword 1796 pattern“, der englische Kavallerie-Säbel „M 1796“. Dieses Modell wurde im Zuge der Reorganisation der preußischen Armee nach 1806 in großen Mengen aus England importiert und später als preußischer „Kavalleriesäbel M 1811“ nachgebaut. Mit der Waffe wurden dann auch Regimenter und Freikorps ausgestattet, die an den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1813-1815) beteiligt waren. Von der ab März 1813 in Preußen „ausgehobenen“ Landwehr ist bekannt, dass sich deren Ausrüstung deutlich von den Standards im preußischen Heer unterschied.

Dennoch ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sich auch „Landsturmmänner“ mit solchen Säbeln bewaffneten oder an sie gelangen konnten. Im Emsland wurde ab Ende 1813 die Landwehr einberufen und das „Landwehr-Bataillon Meppen“ aufgestellt. Die „Landsturmmänner“ wurden aus Meppen und den umliegenden Gemeinden – auch aus Teglingen – eingezogen und mussten für den Kriegsdienst zeitweise ihre bäuerlichen und bürgerlichen Berufe verlassen. Auch wenn der Meppener Landsturm wohl nicht direkt an den „großen“ Schlachten der Befreiungskriege teilnahm, wussten die Krieger um ihre Beteiligung an einer „nationalen Heldentat“. Bereits unmittelbar nach der endgültigen Niederlage Frankreichs im Jahr 1815 begann daher die „Erinnerungsarbeit“. Zunächst bestanden die Landwehren weiter, vielerorts bildeten sich Kameradschaften und Vereine ehemaliger Landsturmmänner heraus, die ihre „Tradition“, eine Publizistik und auch eine gegenständliche Überlieferung pflegten. Auszeichnungen, Uniformteile, Ausrüstungsgegenstände und Waffen wurden als Zeugnisse eines weltgeschichtlichen Ereignisses und Symbole der „nationalen Erhebung“ auch im privaten Raum gepflegt und gehegt, wahrscheinlich zu besonderen Anlässen hervorgeholt und präsentiert. Insgesamt scheint es sehr wahrscheinlich, dass der auf dem Strietfeld aufgefundene „Blüchersäbel“ aus diesem Kontext stammt und auch auf diesem Weg in das bäuerliche Milieu der Gemeinde gekommen ist. Nicht zuletzt weist der exzellente Erhaltungszustand des Fundstücks darauf hin, dass der Säbel jahrzehntelang sorgsam gepflegt worden sein muss – und wohl auch nicht mehr als 100 Jahre in der Erde gelegen haben kann.

Es ist insofern anzunehmen, dass das Stück nach der Auflösung des Landwehr-Bataillons zunächst verwahrt und deutlich später, wahrscheinlich bewusst, an der Fundstelle abgelegt bzw. „verscharrt“ worden sein muss. Für diesen Vorgang kommt zeitlich die radikale Entmilitarisierung und Entwaffnung der deutschen Zivilbevölkerung durch die alliierten Machthaber am Ende des Zweiten Weltkrieges in Betracht. Bereits am 18. April 1945 erging auch im Emsland die Bekanntmachung, dass „Feuerwaffen, einschließlich Sportwaffen und andere gefährliche Waffen [...] sofort abzuliefern“ seien. Viele Deutsche – auch im Emsland – vergruben ihre Waffen oder Uniformteile in diesen Tagen – einerseits, um sich nicht in den Verdacht zu bringen, Widerstand leisten zu wollen; andererseits aber wohl auch, um die Gegenstände später wieder ausgraben zu können.

Der Heimatforscher Michael Koers vermutet wohl zu Recht, dass der Säbel in diesem Zuge planvoll am Ackerrand „am Strietfeld“ verborgen – und ca. 25 Jahre später durch Bernhard Bölle wieder entdeckt – wurde. Dessen Sohn bestätigt die Vermutung indirekt: er erinnert, dass sein Großvater Ende des Zweiten Weltkrieges auch sechs Jagdgewehre auf dem Hofgelände vergraben hat. Von diesen Stücken fehlt allerdings bis heute jede Spur.

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