Gestaltungsentwurf für den Kühlturm des Kraftwerks Meppen-Hüntel

Wettbewerbsbeitrag des Künstlers Volker Seifen (1958–2017) aus dem Jahr 1993

(bs) Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MMEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.

Zum Objekt

Im Jahr 1974 ging das erdgasgefeuerte Dampfkraftwerk im Meppener Industriegebiet Hüntel ans Netz. Errichtet und betrieben wurde die Anlage vom Unternehmen RWE (Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk), das Anfang der 1970er Jahre die Notwendigkeit erkannte, neben der Rheinischen Braunkohle, die bis dahin für die Stromerzeugung die dominierende Rolle gespielt hatte, auch andere „wirtschaftliche Primärenergiearten“ zu nutzen. Aktuell bemüht sich der RWE-Konzern wieder intensiv um den Braunkohleabbau im Tagebau Garzweiler, zu dem auch die Ortschaft Lützerath gehört. Die Proteste gegen den Abriss des Weilers und die Abbaggerung des Gebietes dominieren seit Wochen die Schlagzeilen. Aber vor 40 Jahren ging der Blick der RWE AG zu Alternativen, neben der Kernenergie war das die Energiegewinnung aus Erdgas. Im Jahr 1970 wurde der Entschluss zum Bau eines erdgasbefeuerten „Blockes“ mit einer Leistung von 600 Megawatt gefasst – vorher kam es zum Abschluss eines längerfristigen Erdgaslieferungsvertrags mit der „Nederlandes Aardolie Maatschappij“ in Den Haag.

Als Standort wurde ein Waldgelände nördlich der Stadt Meppen gewählt, wo die Voraussetzungen optimal erschienen: das niederländische Erdgas kam aus der Nähe, das Kühlwasser konnte der Ems entnommen werden. Nach knapp vier Jahren Planungs- und Bauzeit wurde das Erdgas-Kraftwerk Meppen im Dezember 1974 offiziell in Betrieb genommen. Der charakteristische, ca. 130 Meter hohe Kühlturm entwickelte sich zum weithin sichtbaren Wahrzeichen und prägte in der Folge das nördliche Stadtgebiet.


Schon damals machte man sich Gedanken zur ästhetischen „Einbindung“ des Kraftwerks in die Landschaft. Man wusste, dass das Bauwerk durch seine Silhouette das Landschaftsbild wesentlich verändern würde – durch eine „sorgfältige Berücksichtigung der hohen und niedrigen Baukörper und durch eine geschlossene Bauweise mit Freiräumen zwischen den hohen Gebäuden“ sollte „ein harmonischer Ausgleich“ geschaffen werden. Seit 1974 gehört der charakteristische Kühlturm zum Ensemble der Gebäude, mit denen man den Ort Meppen visuell in Verbindung bringt.

Im Jahr 1993 veranstaltete die RWE Energie AG das Kunstprojekt „Kühler 1“, in dessen Zuge der Kühlturm künstlerisch umgestaltet werden sollte. Die Idee dazu hatte der RWE-Ingenieur Dieter Busch. Da sowieso im Zuge einer Sanierung am Kühlturm des Erdgaskraftwerks in Meppen eine abschließende äußere Schutzschicht, ein Schutzanstrich, zu erfolgen hatte, kam es im Zusammenhang mit Überlegungen zu einer neuen Farbwahl zum Gedanken, den Baukörper künstlerisch umzugestalten. Der Kühlturm und dessen Anstrich wurden zu einem Kunstprojekt. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben – Künstlerinnen und Künstler waren aufgerufen, ihre Entwürfe zur Außengestaltung der Kühlturmwand einzureichen. Zu den „Unterlagen“ gehörte ein bemaltes bzw. künstlerisch gestaltetes Modell aus Polyester und eine Visualisierung bzw. Erläuterung des Entwurfs hinsichtlich der Wirkung im Kraftwerksensemble und im Kontext der umgebenden Landschaft. Eine fachkundige Jury hatte eine Auswahl zu treffen.

Sieben Entwürfe kamen schließlich in die engere Wahl. Der im Libanon geborene Schweizer Künstler Christoph Rihs setzte sich durch. Die von ihm erdachte und konzipierte „Weltkarte“, die im „Malen-nach-Zahlen“-Prinzip im Sommer 1994 aufgebracht wurde, fand als „Größte Weltkarte der Welt“ sogar Aufnahme ins Guiness Buch der Rekorde.

Auch der Meppener Künstler Volker Seifen hatte sich 1993 an dem Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Kühlturms des Kraftwerks Meppen-Hüntel beteiligt. Sein Entwurf stellte die landschaftlichen Eigenarten des Emslandes dar und eröffnete den Blick zum Meer. Hauptmerkmal seiner Comiczeichnung war der von Möwen bevölkerte blaue Himmel. Warum der Entwurf bei der Jury durchfiel, lässt sich nur vermuten. Vielleicht erschien der Comic-Stil zu gewagt oder zu populär, vielleicht gab es auch Zweifel an der Umsetzbarkeit: die besondere Herausforderung für die am Wettbewerb teilnehmenden Künstler:innen war, einen Entwurf zu entwickeln, der sich auf dem Kühlturm auch technisch umsetzen ließ, was bei Seifens Vorschlag schwierig geworden wäre. Das Modell, eine Leihgabe von Doris und Andreas Wulf aus Kluse und die Fotocollage aus dem Besitz von Wilhelm Aldrian aus Meppen sind noch bis zum 5. März 2023 in der Sonderausstellung „Von Möwen und Männchen. Stadtbilder von Volker Seifen (1958–2017)“ im Stadtmuseum zu sehen.