(fxe) Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.
Zur Leihgabe
Das „Emslänner Platt“, eine Variante der plattdeutschen Sprache, die früher im Emsland gesprochen wurde, ist aus dem Alltag der hier lebenden Menschen heute nahezu verschwunden. Eine Anzahl Initiativen und insbesondere die Fachstelle Plattdeutsch der Emsländischen Landschaft bemüht sich daher um den Erhalt und die Pflege des Plattdeutschen in der Region. Darüber hinaus lebte und lebt das Platt als Literatur- und Kultursprache in der hiesigen Mundartdichtung fort. In Meppen war es u. a. die Gruppe der Emslandske Sellskup um den Heimatdichter und Plattschreiber Bernhard Uphus (1886–1960), die sich nach 1945 für die Förderung der plattdeutschen Sprache einsetzte und stark machte.
Das hier vorgestellte Poesie-Album versammelt 39 handgeschriebene Gedichte emsländischer Heimatdichterinnen und Heimatdichter, illustriert mit 67 schwarz-weißen Fotografien, die typische Landschaftsmotive aus dem Emsland zeigen. Es wurde von den Stamm-Mitgliedern der Emslandske Sellskup im Jahr 1956 zum 70. Geburtstag von Bernhard Uphus zusammengestellt. Das Album ist vermutlich in den 1990er Jahren im Zuge eines Nachlasses in den Besitz des Heimatvereins gekommen. Der eher unscheinbare gepolsterte Kunststoffeinband im typischen Design der 1950er Jahre lässt nur schwer auf seinen besonderen Inhalt schließen, weshalb dem Album bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die Fotografien zeigen Moor- und Heidelandschaften, Dorfkirchen und Schafherden und beschwören ein geradezu verklärtes Landschaftsbild des Emslandes herauf, das sich damals mit dem 1950 beschlossenen sogenannten Emslandplan bereits in einem tiefgreifenden Wandel befand.
Die Gedichte erzählen von der „armen Scholle“, dem „alten Moor“, den „Schäöpkes“ und „Höhnerkes“, oder dem Morgenrot über der Heide und „besingen“ diese Themen angesichts einer unter den gewaltigen Pflugscharen der „Ottomeyer-Pflüge“ vermeintlich im Vergehen begriffenen Welt. Während die Liebe zur landschaftlichen Schönheit des Emslandes sich durch alle Gedichte zieht, sind nur zwei Stücke in emsländischem Platt verfasst.
Neben den literarischen Hauptakteuren und -akteurinnen der Emslandske Sellskup – Maria Mönch-Tegeder, Christa Brinkers und Josef Hugenberg – sind im Album auch weniger bekannte Schreiber wie August Löning und Georg Schwedhelm sowie damals bereits verstorbene Heimatdichter wie Johannes Mulert, Hermann Alfers und der eher als Bildhauer bekannte Heller-Bernd wie auch der gefeierte Bernhard Uphus selbst vertreten. Damit ist das Album nicht nur ein liebevoll gestaltetes, persönliches Erinnerungsstück, sondern es stellt auch eine authentische Anthologie der emsländischen Heimat- und Mundartdichtung in der Mitte der 1950er Jahre dar.
Die Emslandske Sellskup wurde am 3. Oktober 1948 in Meppen als lose Gruppe von anfänglich dreißig Plattdeutsch-Aktivisten zunächst als „Montagsgesellschaft“ gegründet. Ab Mai 1950 erschien die von Josef Hugenberg herausgegebene Zeitschrift „Emslandske Sellskup. Mitteilungen und Beiträge aus dem Emsland und den Landsmannschaften“. Einige wenige Hefte der Reihe werden in der Bibliothek des Emsländischen Heimatbundes verwahrt. Die Gruppe traf sich ab 1948 bei Bernhard Uphus in der Meppener Hubertusstraße, wo dieser eine kleines „Heimatzimmer“ eingerichtet hatte und nach seiner Pensionierung zusammen mit seiner Schwester Gertrud die Mitglieder der Gesellschaft in loser Runde zu Vorträgen, Diskussionen und Diaabenden einlud. Der Gastgeber war neben Christa Brinkers das älteste Mitglied der Gesellschaft. Uphus hatte sich bereits in den 1920er Jahren im „Heimat-Zirkel“ in Meppen engagiert und Theaterstücke und Lustspiele in plattdeutscher Mundart geschrieben. Sein 1930 gedrucktes Lustspiel „Der drööge Jan“ fand überregional Beachtung und wurde u. a. 1957 auf der Meppener Freiluftbühne aufgeführt. Ein Jahr zuvor war ihm zur Würdigung seiner Verdienste von der Emslandske Sellskup das Foto- und Gedichtalbum übergeben worden. Bernhard Uphus starb im Jahr 1960.