(fxe) Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im Stadtmagazin DER MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.
Zur Leihgabe
Der Tabakgenuss oder schlicht das Rauchen ist wie so viele Dinge, die uns heute selbstverständlich vorkommen, in der frühen Neuzeit durch den Kolonialismus aus Amerika nach Europa gekommen. Anders als andere Produkte des Austauschs mit weitentfernten Gebieten – etwa Kolonialwaren wie Kaffee, Tee oder Kakao – ist das Tabakrauchen heute aber alles andere als populär. Seit Jahrzehnten ist die gesundheitsschädliche Wirkung bekannt und werden staatlicherseits Aufklärungs- und Verbotskampagnen, zuletzt die Pflicht, auf Tabakverpackungen mit Text und Bild auf die Gefahren des Rauchens zu verweisen, gefordert und umgesetzt. Mit dem „Rauchverbot“ verschwand 2005 das Rauchen aus vielen Bereichen des öffentlichen Raumes und verlagerte sich in entsprechend gekennzeichnete Zonen.
Während heute die gesundheitlichen Gefahren und auch die Umweltschäden des Rauchens die Debatten beherrschen, galt der Tabak noch vor wenigen Jahrhunderten als ein Allheil- und pharmakologisches Wundermittel. Daniel Dafoe, der selbst Tabak anbaute, beschrieb 1717 in seinem Buch „Robinson Crusoe“ die dem Tabak zugeschriebene medizinische Wirkung: Mit einem Sud aus Tabak und Rum kurierte Robinson seine tropischen Krankheiten. In Büchern der Zeit wurde der Tabakkonsum zu medizinischen Zwecken empfohlen: „Dieses Kraut reinigt Gaumen und Haupt, vertreibt die Schmerzen und Müdigkeit, stillt das Zahnweh, behütet den Menschen vor Pest, verjagt Läuse, heilet den Grind, Brand, alte Geschwüre, Schaden und Wunden“ heißt es in einem Kräuterbuch aus dem 17. Jahrhundert.
Tabakgenuss und auch Tabakpfeifen waren in Amerika schon viele Jahrhunderte bekannt, bevor sie von den spanischen und portugiesischen Entdeckern und Eroberern im 15. und 16. Jahrhundert in Europa bekannt gemacht wurden. Im 17. Jahrhundert verbreitete sich das Tabakrauchen flächendeckend und kam in allen gesellschaftlichen Schichten in große Mode. Die Art des Konsums machte den Unterschied: während die adeligen Damen und Herren Schnupftabak aus kunstvollen Tabakdosen bevorzugten, rauchte das einfache Volk – Soldaten, Studenten, Bauern – die getrockneten Tabakblätter in der Tonpfeife.
Die frühesten keramischen Tabakpfeifen wurden um 1580 in England „gebacken“. Die englischen Pfeifenbäcker brachten die Technik in die Niederlande, wo sich bald große Zentren der Pfeifenbäckerei entwickelten.
Pfeifen aus Gouda galten dabei als die hochwertigsten, wurden international gehandelt und oft kopiert. In Deutschland entwickelten sich vor allem im Westerwald, in der Lausitz und in Bayern, aber auch in Ostfriesland und im Emsland Zentren der Pfeifenproduktion. Die Pfeifenköpfe wurden aus weißbrennendem Ton in Modeln geformt und meist an der Ferse – die zum Abstellen der Pfeife diente – mit einem Stempel gekennzeichnet. Auch an den Seiten finden sich oft Stempel oder Marken, die Aufschluss über den Herstellungsort geben. Die Kennzeichnungen ermöglichen manchmal eine genaue Datierung der Pfeifen. Die Form der Pfeifenköpfe hat sich vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert stark gewandelt. Waren sie in der Anfangszeit eher klein und hatten eine bauchige, gedrungene, doppelkonische Form, wurden sie ab 1700 immer größer und öfter als längliche Trichter ausgeformt. Die größeren Köpfe boten nun auch Platz für gestempelte oder in die Form gravierte Marken und Verzierungen. Häufig finden sich darunter einfache Alltagsdarstellung wie z. B. ein Angler auf dem vermutlich jüngsten der hier gezeigten Pfeifenköpfe.
Die hier vorgestellten Tonpfeifen wurden zwischen 1992 und 2005 bei Bauarbeiten in der Meppener Innenstadt gefunden und belegen, dass der Tabakgenuss im 17. und 18. Jahrhundert auch in der Meppener Ackerbürgerschaft verbreitet war. Da das Pfeiferauchen insbesondere auch bei Soldaten beliebt war, könnte hier auch ein Hinweis auf die militärischen Besatzungen der Meppener Festungszeit gegeben sein. Die mit den sechs Lilien verzierte Pfeife deutet auf eine Herkunft aus den Niederlanden. Die Fersenmarke ist schwer zu identifizieren, könnte jedoch einen gekrönten Reichsapfel darstellen, eine Marke, die auf den Herstellungsort Gouda verweist. Aber gerade die undeutliche Markung und die unsauber gestempelten Lilien auf dem gekrümmten Stil könnten auch auf eine Kopie hinweisen. Seit den 1830er Jahren gab es auch Pfeifen aus emsländischer Produktion: Die „Meyersche Pfeiffen-Fabrik“ in Aschendorf stellte bis Anfang des 20. Jahrhunderts mit gutem Erfolg keramische Tabakpfeifen her.
(Franz Xaver Erhard)