(eb) Am 30. November war es so weit: Die Teilnehmenden des Performance-Projekts „Bei aller Freundschaft“ standen auf der Bühne bzw. der Tanzfläche des Meppener Rockpalastes und haben dem Publikum eine knappe Stunde lang einen Einblick in ihre Perspektiven auf das Thema Freundschaft gegeben. Ein paar Wochen zuvor hatten die gebürtige Meppenerin Anna Stecking und ihre Kollegin Hannah Nagel zu einem Workshop aufgerufen: Sie suchten Personen über 60, die Lust auf ein Tanzprojekt zum Thema Freundschaft hatten. Prompt fanden sich 13 Personen mit und ohne Bühnenerfahrung, die Lust auf das Projekt hatten. Dieses Projekt förderte die Förderunion für Kunst und Kultur.
Der Rockpalast war bis auf den letzten Platz besetzt. Das Publikum war sichtlich berührt von den authentischen Einblicken, die den Stellenwert von Freundschaft, gerade im höheren Alter, deutlich gemacht haben. Die Ausdruckskraft und Bewegungen der Performerinnen, der Sound, die Bühne, das Licht: ein fein ausbalanciertes Zusammenspiel unter der Leitung von Stecking und Nagel, das auf eine Fortsetzung hoffen lässt.
Initialzündung für das Projekt war die Mikroprojektförderung der Förderunion für Kunst und Kultur (kurz: Fu.K.K.), ein Teil des vital village Förderprogramms der Stiftung Niedersachsen. Beide haben sich im Frühjahr auf die Ausschreibung beworben. Sie fühlten sich dadurch ermutigt, ihre Idee umzusetzen. Die Jury hat ihr Projekt als eines von 10 bewilligten Projekten ausgewählt.
Während des Entstehungsprozesses wurden sie immer wieder bei Fragen durch die Förderunion für Kunst und Kultur unterstützt. Im folgenden Interview gibt das Team einen Einblick:
Fu.K.K.: Ihr wohnt beide nicht (mehr) in Meppen. Was war eure Motivation, ein Mikroprojekt hier in Meppen zu realisieren?
Anna & Hannah: Unsere Motivation war vor allem Annas Verbundenheit mit dieser schönen Kleinstadt. Anna ist hier aufgewachsen und war lange an der Freilichtbühne aktiv. Wir wussten, dass es hier ein paar Menschen gibt, die Lust haben, performativ zu arbeiten und kannten Orte in Meppen, an denen das möglich sein würde. Der Rockpalast war für uns der perfekte Aufführungsort. Er ist ein wichtiger sozialer Knotenpunkt für unzählige Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Herkunft. Viele Freundschaften wurden hier geschlossen, durch gemeinsam kreierte Erinnerungen gestärkt. Zum anderen sind wir hier in Meppen auf die Mikroprojektförderung der Förderunion für Kunst und Kultur e.V. gestoßen, die es uns überhaupt erst möglich gemacht hat, das Projekt zu realisieren. Ohne die finanzielle und strukturelle Unterstützung dieser Förderung wäre das sehr viel schwieriger gewesen.
Fu.K.K.: Warum das Thema Freundschaft, die Zielgruppe Menschen Ü60 und dieser Ort?
Anna & Hannah: Wir haben das Gefühl, dass in unserer Gesellschaft Freundschaften zwischen Erwachsenen keine entsprechende Repräsentation hinsichtlich ihrer emotionalen Bedeutung finden. Bei romantischen Liebesbeziehungen ist das ganz anders. Da gibt es unzählige Filme, Lieder und Geschichten, die verschiedene Facetten dieser Beziehungen thematisieren. Dabei sind auch Freundschaften sehr komplex, durchlaufen verschiedene Phasen und sind super wichtig für das soziale Wohlbefinden von Menschen. Gerade das Ende einer Freundschaft kann einen emotionalen Ausnahmezustand hervorrufen und einen sehr schmerzhaften Einschnitt ins Leben bedeuten.
Uns interessiert die Vielfalt der Geschichten der Menschen über 60, die bereits verschiedene Phasen unterschiedlicher Beziehungen durchlebt haben. Welche Erfahrungen haben sie mit dem Ende einer Freundschaft gemacht? Welche Erinnerungen und Erkenntnisse bleiben? Uns interessiert der Erfahrungsschatz älterer Menschen. Zudem werden sie oft in der Gesellschaft übersehen, vergessen und übergangen. Ihre Lebensrealitäten, Erfahrungen und Emotionen bekommen nicht mehr den Raum, den sie verdienen. Zusammen mit lokalen Akteur:innen wollten wir ihnen eine Bühne geben, auf der sie ihre Erfahrungen und Geschichten teilen können und so eine Gemeinschaft stärkende Austauschmöglichkeit für das generationenübergreifende Thema Freundschaft schaffen. Gleichzeitig ermöglicht uns dieses Projekt, die Bevölkerung in Meppen partizipativ in künstlerische Prozesse einzubinden und die kulturelle Teilhabe im ländlichen Raum zu stärken. Dieser soziale Aspekt ist für unser künstlerisches Arbeiten maßgeblich: Wir glauben fest an die Kraft der Berührung durch Repräsentation von alltäglichen, menschlichen Geschichten.
Fu.K.K.: Was nehmt ihr aus dem Prozess mit? Wie geht’s weiter?
Anna & Hannah: Wir würden sehr gerne unsere Zusammenarbeit fortsetzen, denn die Arbeit mit Laien Performer:innen und die Altersgruppe haben es uns sehr angetan. Da waren so unterschiedliche Menschen dabei. Diese in ihrer Offenheit zu erleben und wie sie sich aufeinander einlassen, war für uns wirklich unfassbar wertvoll und berührend. Ob wir dieses Arbeiten hier in Meppen oder in anderen Städten wiederholen können, ist aber noch unklar und hängt, wie so oft, von den finanziellen Förderungsmöglichkeiten ab. Für einen ersten Versuch war Meppen der perfekte Start. Hier hatten wir das Glück, sehr viel Unterstützung von Menschen zu haben, die uns ihre Ressourcen zur Verfügung gestellt haben. Zudem wurden wir zwar neben der Mikroprojektförderung auch von lokalen Sponsor:innen unterstützt, aber um professionell weiter arbeiten zu können, bräuchten wir größere Fördermittel. Das vorhandene lokale Netzwerk von leidenschaftlichen Unterstützer:innen ist großartig, aber es wäre auch toll, den beteiligten Menschen faire Löhne zahlen zu können. Das ist etwas, was wir uns für die Zukunft dieses Projekts wünschen.
Fu.K.K.: Ihr hattet nur wenige Proben und habt zu einem sehr persönlichen Thema gearbeitet. Wie war es für dich, dich auf dieses kleine Abenteuer einzulassen?
Christel Demberger (Teilnehmerin): Ja, ein „Abenteuer“ war es tatsächlich für mich. Ich war schon nach dem ersten Probenwochenende überrascht und dann auch überzeugt. Es zeigte sich im gesamten Prozess eine flexible Anpassung der Inhalte sowie Organisation. Anna und Hannah haben sich auf uns einlassen können, ohne ihre Fachlichkeit aus den Augen zu verlieren. Für mich eine runde und auch bereichernde Sache. Schade, dass es so schnell vorbei ging.
„Danke für diesen berührenden Abend! Ich hoffe, dass dieses Projekt noch mehr Menschen bewegen kann. Hut ab vor allen wundervollen Frauen und an euch Beide!“
(Zuschauerin bei instagram)