(jw) „Ein Halbmarathon besteht aus vier mal fünf Kilometern. Und den letzten zwei Kilometern, insgesamt 21,0975 Kilometer, um genau zu sein. Es ist schon lange her, dass ich diese Distanz schon einmal „aus Versehen“ zurückgelegt habe. An einem Tag war meine Form gut und ich bin einfach weitergelaufen.
Es gibt diese magischen Distanzen: fünf Kilometer, zehn Kilometer, Halbmarathon und Marathon. In den Fitness-Apps sind das die Distanzen, für die die persönlichen Bestzeiten aufgezeichnet und gespeichert werden. Bei diversen Laufveranstaltungen sind es diese Distanzen, die es zu bewältigen gilt.
Ich weiß nicht mehr wann ich das erste Mal fünf oder zehn Kilometer gelaufen bin. Das ist noch in meiner Zeit in Münster gewesen, wo ich anfangs am Dortmund-Ems-Kanal auf der einen Uferseite hin und auf der anderen Uferseite wieder zurückgelaufen bin. Meine Schuhe waren aus heutiger Sicht ein Witz und dazu noch ein ziemlich schlechter sowie schmerzhafter wie die weiteren Wochen meines Laufbeginns zeigten. Damals besaß ich noch keine Sportuhr. Ich bin mir aber sicher, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele gute gab. Der Technik-Hype mit dem Drang verbunden, seine eigene Fitness, seinen kompletten Alltag in Gesundheitsdaten zu speichern, setzte erst später ein. Ich erhöhte getreu dem Motto eines ehemaligen Bundesaußenministers, eine einmal zurückgelegte Distanz für das Erste nicht mehr zu unterbieten, mein Pensum langsam von Kanalbrücke zu Kanalbrücke.
Es fiel mir anfangs schwer, die Blicke anderer Leute auszublenden, da ich wohl wirklich eine etwas ungelenke Figur abgegeben haben muss. Unter „Leben“ hatte ich zuvor immer etwas anderes als Sport verstanden. Das Schöne am Laufen ist jedoch, dass man relativ schnell Erfolge erzielt: Rein sportlich wird aus den ersten fünfhundert Metern mit Seitenstechen schnell der erste Kilometer, gefolgt vom zweiten, dritten und so weiter.
Die andauernde und einigermaßen gleichmäßige Bewegung hat aber auch eine angenehme Ruhe zur Folge, die sich nach und nach in mir ausbreitet. Die Atmung wird ruhiger, der Puls gewöhnt sich an die Schrittfrequenz und mögen die Kämpfe im Kopf zuvor auch noch so heftig gewesen sein, so herrscht dort endlich stiller Einklang.
Das Vibrieren an meinem Handgelenk holt mich aus meinen Gedanken. Die ersten fünf Kilometer liegen hinter mir und ich habe das Gefühl meinen Rhythmus gefunden zu haben. Ich habe mir keine bestimmte Zeit als Ziel vorgenommen, sondern habe den Lauf neugierig auf das Ende einfach auf mich zukommen lassen. Erstaunlich empfinde ich was die Zuschauer, was die ganze Atmosphäre mit mir macht: ohne es gewollt oder direkt bemerkt zu haben laufe ich etwas schneller als im Training die Wochen zuvor. Auch von den anderen Läufern lasse ich mich etwas „mitziehen“. Ein Ratschlag, den einem fast jeder gibt und den man überall nachlesen kann: „Nicht von der Euphorie anstecken lassen und zu schnell loslaufen, das rächt sich am Ende!“ .Aber das ist nicht so einfach! Es ist am Ende immer ein gutes Gefühl, sich selbst übertroffen zu haben. Das ist ein weiterer, positiver Aspekt dieses Sports, dass ich gezwungen bin mich auf mich selbst zu konzentrieren. Völlig egal wie schnell oder langsam die Läufer um mich herum sind, am Ende muss ich die Strecke allein zurücklegen. Das schaffe ich umso besser ich mich selbst einschätzen kann.“
Ein Halbmarathon besteht aus vier mal fünf Kilometern. Die ersten fünf liegen hinter Jörn. Doch wird er ich auch die restliche Strecke meistern? Oder wird es zu unerwarteten Komplikationen auf oder neben der Strecke kommen? Das lesen Sie in der kommenden Ausgabe des Stadtmagazins DER MEPPENER