(akg) Mein Sohn kennt seine Rechte als 12-jähriger erstaunlich gut. Überrascht aber hat ihn nach einer schier endlosen Diskussion um das Mithelfen daheim der § 1619 BGB, in welchem juristisch wunderbar schachtelsatzig formuliert steht: „Das Kind ist, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.“ Soooo!!!
Wir Eltern sind mithin weisungsbefugt und können unsere Kinder dazu verpflichten, im Haushalt mitzuhelfen. Zur Durchsetzung stehen uns Hausarrest, Ermahnungen, Taschengeldentzug, oder – unser Endgegner – Handyverbot zur Verfügung.
Der § 1619 BGB wird so ausgelegt, dass z.B. Jugendliche sieben Stunden pro Woche im Haushalt mithelfen sollten. Das seh´ ich bei uns zu Hause gar nicht. Darauf angesprochen erwidert mein Sohn „Dein Ernst?“.
Ich gebe zu, die Formulierung im § 1619 BGB scheint aus der Zeit gefallen. Viel zu autoritär und nicht mehr dem heutigen Familienbild entsprechend. Aber inhaltlich erscheint er mir wichtiger denn je. Aus Langzeitstudien ist bekannt, dass sich Erwachsene erfolgreicher entwickeln und ein sozial engagierteres Leben führen, wenn sie sich in ihrer Kindheit ganz selbstverständlich an Aufgaben im Haushalt beteiligt haben. Kinder sollen dadurch empathischer werden, die Leistungen der Eltern besser wertschätzen und auch ihre eigenen Leistungen besser einschätzen können, selbstbewusster und selbstwirksamer werden u.s.w, u.s.w.
Unsere Kinder könnten auf die Idee kommen, uns Art. 4 Abs. 2 der EMRK entgegenzuhalten. Ein Verstoß gegen diese UN-Kinderrechtskonvention liegt bei Mithilfe im Haushalt jedoch nicht vor, da dies nicht unter das Verbot der Pflichtarbeit fällt.
Nachdem ich den § 1619 BGB ausgepackt habe und meinen Sohn bitte, nun das Holz von draußen reinzuholen: keine Reaktion. Dringlichere Bitte meinerseits, noch ohne Anwendung der verrufenen „Wenn-Dann-Pädagogik“.: demonstratives Augenrollen. Um nicht völlig auszuflippen ändere ich die Richtung und sage ihm die Wahrheit: nämlich, dass ich aus rein egoistischen Gründen möchte, dass er mir hilft. Ich brauche seine Hilfe, will nicht alles alleine machen und schon gar nicht aus der Kälte Holz holen. Mit enerviertem Ausatmen zieht er sich die Stiefel an und holt Holz für eine Woche rein. Ich bin hochzufrieden, auch wenn mir das Gesetz diesmal letztlich nicht geholfen hat.
(Anne-Kathrin Gröninger)