Historischer Kriminalfall Goose Sienken im NDR

Spannende Suche mit Sondengängern

(eb) Es sind oft die kleinen Zufälle... So war es auch an einem Abend vor einigen Wochen; ich wollte schnell noch ein paar Einkäufe im Supermarkt tätigen. Vor mir stand ein junger Mann an der Kasse und rein zufällig entdeckte ich ein Namensschild an seinem Arbeitsanzug: M. Koers! „Oh, ich heiße genauso“, rutschte es mir heraus. „Ja? Heißen Sie auch Michael Koers?“ Wir mussten beide lachen. Er wusste - zufällig - wer ich bin und dass ich über Goose Sienken anhand der 150 Seiten umfassenden alten Akten recherchiert hatte. Und dann ging alles ganz schnell! Der junge Mann stellte sich als Heimatforscher, Autor und Sondengänger aus Teglingen vor und fragte mich, ob wir nicht mal am Hinrichtungshügel auf die Suche gehen sollten. Ich war natürlich begeistert, denn Joop Wösten (NDR), den ich kurz vorher - zufällig - auf einer Veranstaltung antraf, hatte auch schon diesen Gedanken gehabt. Am 8. März traf ich mich (nach den erforderlichen Genehmigungen) mit Michael Koers und Matthias Berg aus Haselünne, ebenfalls Heimatforscher und Lizensierter Sondengänger, sowie einem Journalisten der Meppener Tagespost und dem NDR-Team am Rande des Esterfelder Forstes.

Anna Gesina Brink, genannt Goose Sienken, wurde 1784 geboren und 1807 in Meppen hingerichtet. Ihre Lebensgeschichte ist bewegend, nicht zuletzt, weil sie mit Herm Fenslage, einem übel beleumdeten und gewalttätigen Mann, verheiratet war. Dieser war vorher bereits zwei mal verheiratet gewesen. Seine Ehefrauen waren 26 bzw. 27 Jahre älter und in den alten Akten wird angedeutet, dass er möglicherweise seine Hände im Spiel hatte, als sie starben. Goose Sienken hat ihn sklavisch gefürchtet, auch das ist aktenkundig. Herm zwang sie, während der Sonntagsmesse in der Propsteikirche, wenn die Fullener und Versener Bauern im Gottesdienst waren, in einer Scheune als Ablenkungsmanöver ein Feuer zu legen, um zu stehlen. Der Schaden in Fullen war immens, denn das Feuer geriet durch den ungünstigen Wind außer Kon-trolle. Goose Sienken wurde wegen Mordbrand (ein Brand, bei dem jemand hätte sterben können), zum Tode durch das Schwert und anschließenden Verbrennung verurteilt. Die Rechtsprechung kannte damals noch kein Hinterfragen, lediglich die Dämonisierung. Zwei Teertonnen Holz und eine Menge Stroh wurden zum Hügel geschafft; von dort aus konnte man die Dörfer Fullen und Versen sehen. Nicht der zuständige und informierte Scharfrichter aus Rheine erschien, sondern der Scharfrichter aus Münster reiste 2 Tage vor der Hinrichtung nach Meppen. Warum? Darüber habe ich ebenfalls ein Buch geschrieben: „Das Rad des Henkers“ - aber das ist eine andere Geschichte!

Was Goose Sienken betrifft, kannte ich bereits seit Jahrzehnten ein Buch über sie. Lange Zeit sah ich die tatsächlich erst 22 jährige als „altes Weib“, als bösartige Hexe, denn so ist sie auf dem Buch-Cover abgebildet. Erst während einer Lesung des Meppener Heimatvereins vor 18 Jahren fiel mir auf, dass vieles darin erfunden war. Der Text war keine 100 Jahre nach ihrem Tod von Carl Benedikts geschrieben worden, mit falschen geschichtlichen Ereignissen und vom bösartigen Volksmund durchtränkt. Carl Benedikts muss wohl den bereits falschen Darstellungen von Geschichtsschreiber Diepenbrock, aber auch den damaligen Spökenkieker-Geschichten aufgesessen sein. Bereits der 2011 verstorbene Oberstudienrat und Autor Heinz Jakobs aus Lingen beschrieb das Werk als „Phantastereien“. Kürzlich wurde mir in Fullen dieser uralte Text leihweise übergeben, möglicherweise eine über 100 Jahre alte Erstausgabe und seitdem in der Familie weitergereicht. Leider merke ich immer wieder in Gesprächen, dass hier und da dieser Volksmund noch präsent ist. Meine Meinung: Ein Mensch, der unter uns gelebt hat, darf nicht verleumdet werden! Deshalb bitte ich alle, die in Schriften, im Internet oder auf Info-Tafeln unbewusst falsche Beschuldigungen getätigt haben, diese zu korrigieren. Deshalb halte ich auch immer wieder Lesungen aus meinem 400 Seiten starken Buch „Hexenschwert“, erzähle in privaten Gesprächen von den wahren Begebenheiten, biete auf Wunsch Stadtführungen über TIM an (auch für Gruppen) und führe hin und wieder Bus-Exkursionen durch das Emsland „Auf Goose Sienkens Spuren“ durch. So auch anlässlich des 218. Todestages am Samstag, 12. April, von 12.30 Uhr bis 17.30 Uhr - denn es gibt noch einiges aus Goose Sienkens Lebenswelt zu sehen. Tickets gibt es bei TIM, Tel. 05931 - 153 153. Während einer großen Kaffeetafel besteht die Möglichkeit zum Austausch, dann erzähle ich auch von den Funden der Sondengänger am Hinrichtungshügel. Die abgebildete Musketenkugel wird auf der Tour zur Ansicht „mitreisen“; einem der 200 Schützen, damals die Menschenmassen zurückdrängend, wird sie vermutlich aus der Tasche gefallen sein. Der NDR war beim Fund dabei, der Beitrag über Goose Sienken wurde für die Sendung „Nordtour“ gedreht und wird nach der Ausstrahlung auch in der Mediathek zu sehen sein. Ich bin dankbar und glücklich, dass sie diese späte Aufmerksamkeit bekommt. Der verhörende Richter Morrien hinterließ folgende Beschreibung: „Sie ist als Magd allseits beliebt, ein für eine Bäuerin malerisch schönes Weib, im Wesen die Sanftmut selbst, nur die Augen oft voller Tränen.“

Herzlichst, Ihre Margret Koers

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