Museen sind Schatzkammern: sie sammeln und bewahren Gegenstände aus vergangenen Zeiten, erforschen deren Geschichte(n) und bringen sie zum Sprechen. Dabei sind es nicht selten die auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge, die Spannendes zur lokalen Historie zu berichten haben. In der Reihe „Objekt des Monats“ werden im MEPPENER regelmäßig herausragende Exponate und Sammlungsstücke aus dem Bestand des Stadtmuseums vorgestellt.
(mko) Am 25. April 2021 zeigte das ZDF in seiner Reihe „History“ eine Dokumentation zur deutschen Bürokultur mit dem Titel „Büro, Büro. Die Geschichte unserer Arbeit“. Der Fernsehsender versprach eine „Zeitreise durch die Alltagsgeschichte eines sozialen Biotops“ voller „Geschlechterklischees“. Zu Beginn der Dokumentation werden diese Klischees sogleich ordentlich bedient – die Sekretärin wird selbstverständlich im generischen Femininum mit den Worten „ohne sie geht im Büro gar nichts“ eingeführt. Heide Sommer, Sekretärin bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ und zweite Ehefrau des ehemaligen Chefredakteurs Theo Sommer, bezeichnet sich selbst als „Wunscherfüllerin für meine Chefs“. Zu diesen Wünschen gehörte neben der Terminkoordination der Vorgesetzten natürlich vor allem das „Tippen“: Es galt, die entweder stenografisch notierten oder in ein Diktiergerät gesprochenen Gedanken der „Chefs“ zu transkribieren und in einen schnörkellosen Geschäftsbrief zu verwandeln.
Marktführer unter den Diktiergeräten war in den 1980er Jahren das Modell „Stenorette 2020“ des Nürnberger Elektronikunternehmens „Grundig“, das als Beispiel für historische Bürokultur in diesem Teil der Serie „Objekt des Monats“ vorgestellt werden soll.
Das mit einem Gewicht von lediglich nur ca. 230 Gramm und einer Abmessung von 13 x 7 x 2,5 Zentimetern sehr handliche Gerät war in dieser Zeit in den Führungsetagen zahlreicher Unternehmen vor allem zur Aufzeichnung von Diktaten beliebt und verbreitet. Der Vorteil des „Stenorette 2020“ war das Ändern des Wortlauts, z. B. bei „Versprechern“. Hierzu spulte man das Band zurück und startete die Wiedergabe über den eingebauten Lautsprecher. Ab der zu ändernden Textpassage wurde zusätzlich die Aufnahmetaste gedrückt und der Wortlaut damit überschrieben. Bei den Magnetkassetten, die als Aufzeichnungsmedium bei Diktiergeräten eingesetzt wurden, hatte Grundig ein eigenes Format entwickelt - die „Steno-Cassette 30“. Die maximale Aufzeichnungslänge des Bandes betrug 30 Minuten. Über eine integrierte Mechanik ließ sich die ungefähre Restlaufzeit im oberen Teil der Kassette mittels Zeiger an einer Minuten-Skala ablesen. Aus Sicherheitsgründen war nur eine Seite des Magnetbands beschreibbar – ein Wenden wie bei der bekannten Compact Cassette war somit nicht möglich. Nach Beendigung des Diktats wurde das besprochene Band im „Schreibpool“ bzw. in der Schreibstube der entsprechenden Unternehmen und Behörden abgegeben. Die („traditionell“ in der Tat ausschließlich weiblichen) Schreibkräfte nutzten zum Abhören der Texte stationäre Tischgeräte. Dabei wurde der Ton über Kopfhörer wiedergegeben; die Bedienung des Laufwerks erfolgte über Fußpedale.
Obwohl die Diktiergerätmethode und die Aufzeichnung von Sprachinformationen auf Magnetband heute antiquiert erscheinen mögen, ist seit einigen Jahren dennoch sowohl im Bereich der Unterhaltung und der Berichterstattung, schließlich aber auch in der privaten und dienstlichen Kommunikation, eine zunehmende Hinwendung zur Aufzeichnung von gesprochenen Wörtern zu erkennen. Eine Rolle spielt dabei die Digitalisierung, die die Her- und Bereitstellung sowie die Übermittlung entsprechender Informationen technisch anspruchslos, rasch und rund um die Uhr ermöglicht. Hörbücher, anfangs „nur“ ein Nischengeschäft zur Zweitverwertung des „echten“ gedruckten Buchs, sind längst ein wichtiges Produkt der Online-Literaturvermarktung geworden und erfreuen sich größter Beliebtheit. Manche:r zieht mittlerweile das digital vorgelesene Buch der eigenen Lektüre vor. Seit ca. 2005 boomt das Podcast-Format – abonnierbare Audiodateien mit gesprochenen Medienbeiträgen zu unterschiedlichsten Themen – die sich über Apps z. B. auf dem Smartphone abrufen lassen. Der 2009 gegründete Instant-Messaging-Dienst WhatsApp ist mit rund 2 Milliarden Nutzenden der beliebteste Messenger-Dienst der Welt und auf den meisten Mobilgeräten installiert. Im Privaten, aber auch in der Vereins- und Arbeitswelt, organisieren sich immer mehr Menschen in „WhatsApp-Gruppen“, tauschen sich hier aus und übermitteln Informationen. An die Stelle von Textnachrichten treten in vielen Chats zunehmend sog. „Sprachnachrichten“ – die zu übermittelnde Information wird mit dem Smartphone aufgezeichnet und zum Abhören in Einzel- oder Gruppenchats bereitgestellt. Das Prinzip erinnert an das Besprechen einer Mailbox oder eines Anrufbeantworters, der oder dem allerdings hier der Vorzug vor einer oder einem echten Gesprächspartner:in gegeben wird. Umgekehrt landet man als traditionell Telefonierende:r heute immer öfter bei automatischen Bandansagen oder Sprachrobotern – „echte“ Gespräche oder Telefonate von Mensch zu Mensch scheinen allmählich aus der Mode zu kommen; aber das ist eine andere Geschichte.